OBMENI
 
 
Kunst- und Kulturinitiative
 
     
RONKA NICKEL
Regie

LAURA UTE MELZER
Philosophie

ULRIKE OBENAUER
Bildende Kunst
IHR GEMEINSAMES THEMA IST HEIMAT
Die Metallbildhauerin Ulrike Obenauer ist im Städtchen Oppenheim am Rhein aufgewachsen. Regisseurin Ronka Nickel hat in Darmstadt Abitur gemacht Laura Ute Metzer,Ergotherapeutin mit abgeschlossenem Philosophiestudium, ging in Büdingen zur Schule. Gemeinsame Erinnerungen an Kindheit und Jugend haben die drei Frauen nicht, aber ein Anliegen, das sie mit ihrer Kunstinitiative OBMENI in der Gegenwart für die Zukunft umsetzen wollen den Begriff Heimat mit einer anderen Wertigkeit - weg von sentimentaler Verklärung - zu versehen. Als einen Ort der Sicherheit, an dem sich Menschen, unabhängig von Alter und Geschlecht, Herkunft und Religion, in Toleranz für ihre Lebensweisen und Werte begegnen können.
"Heimat kann jeden Tag neu beginnen", formuliert es Laura Ute Metzer, Jahrgang 1959. In Oberhessen und anderswo. Oberhessen: Das ist die ländlich geprägte Region am Fuße des Vogelsbergs. Hier haben die drei Frauen ihren.Arbeits- und Lebensmittelpunkt.

Eine Ausschreibung, in der kreative Ideen zum Thema Heimat gesucht wurden, hat sie künstlerisch zusammengebracht. Seitdem gibt es OBMENI.
"Ob" für Obenauer, "Me" für Metzer und "Ni" für Nickel. Das erste Projekt von OBMENI hat im November 2019 Premiere. Im Landratsamt in Büdingen präsentieren die drei nicht nur ihre Werke, die in einer mehr als einjährigen Auseinandersetzung mit dem Thema Heimat entstanden sind, sondern
auch ein "Magazin für alle" Auf 5O Seiten, im DIN-A4-Format dokumentieren sie dort die Ergebnisse aus 20 narrativen Interviews mit Bürgerinnen und Bürgern aus Büdingen. Ihre Gesprächspartner fragten sie nach "Dingen, Gefühlen und Orten, die wichtig sind, die zuerst in den Kopf kommen, wenn es um Heimat geht". Eine Erfahrung macht das Trio bei allen Gesprächen "Heimat war, trotz unterschiedlichster Vorbehalte, stets ein Thema, das die Menschen anrührte, und alle begannen aus ihrem Leben zu erzählen", so Ronka Nickel. Sprache ist für die Künstlerinnen ein wichtiger Zugang zu dem Thema. Laura Ute Metzer, geboren in Ortenberg-Bleichenbach, verknüpft in großformatigen Bildern Fotos ihrer keramischen Figuren mit dem oberhessischen Dialekt. lch bin ein native speaker", sagt sie. Sie kann "0berhessisch". Eine vom Aus bedrohte Kulturfähigkeit, deren direkten emotionalen Lebenszugang sie aufzeigen möchte.

Ulrike Obenauer verbindet in ihren Werken Biografie und Sprache. Etwa in ihrem Heimat-Kreuzworträtsel aus Metall. Buchstabe für Buchstabe hat sie, Begriffe wie Kindheit, Freunde aber auch Enge und Heimatflucht in das Gitter eingepasst. Ronka Nickel hingegen ist kein "einheimisches Gewächs". Vor Jahren nach Ortenberg gezogen,
realisiert sie seitdem mit ihrem Partner Hans Schwab auf der Bühne anspruchsvolle Theateraufführungen. Unvergessen: die Sommertheater in der Klosterruine Konradsdorf und im "Fresche Keller".

Mit ihren Mitstreiterinnen von OBMENI lotet sie aus, welche Chancen Kulturprojekte auf dem Land haben und welche Hindernisse und Hürden dabei zu überwinden sind. Manche in den Köpfen, andere in der Bürokratie.
So galt es für das Heimatprojekt von OBMEN,I Menschen wie Institutionen für ihr Anliegen zu gewinnen. Ihr Konzept beeindruckte und wurde mit Bundesmitteln gefördert. Außerdem bekommen sie Unterstützung vom Wetteraukreis, der ihre Ausstellung ins Kreishaus nach Friedberg holt. Längst hat sich in den Köpfen der drei Frauen - und auch in ihren Händen -eine weitere Idee konkretisiert. Ihr Titel: "Heimatstationen". Modelle für eine Installation, die Ulrike Obenauer zeigt, sind
aus Metall. Sie könnten "Haamed", "Hoimet" und "Dach überm Kobb" heißen und werden auf dem Gelände der Gesamtschule Konradsdorf aufgestellt. Diese und weitere Stationen sollen "die Menschen anregen, jetzt über ihre Heimat und deren Zukunft nachzudenken", sagt Ronka Nickel. Wer mehr möchte: Die Installationen werden interaktiv mit einem QR-Code versehen, um auf eine Homepage zum Thema zu gelangen.
Noch bevor sich Ulrike Obenauer, Laura Ute Melzer und Ronka Nickel zu OBMENI zusammenschlossen, teilten sie in ihrem jeweiligen Lebensweg die Entscheidung, sich früh selbstständig gemacht zu haben. Allem Unverständnis, Unkenrufen und Unbill zum Trotz, die dieser Entschluss im Privaten wie Beruflichen mit sich brachte, ist eine
jede für sich diesen Weg gegangen. Ein Weg, auf dem es Erfolge und Enttäuschungen gab. Aufgeben aber war für keine der drei Frauen jemals eine Option.
Laura Ute Melzer ist zehn Jahre alt, als ihre Mutter stirbt. Sie wächst bei der Großmutter auf, liest viel und ignoriert die Kommentare aus ihrer Umgebung. „Die soll doch ned so gescheit wern". Ihre Lehrer aber fördern sie. Später beginnt sie an der Mainzer Gutenberg-Uni ein Studium der Geisteswissenschaften, muss es aus familiären Gründen abbrechen. Sie jobbt zunächst als Sekretärin, entscheidet sich bald ihrer Neigung folgend für eine Ausbildung zur Ergotherapeutin, einen Beruf mit hohem handwerklich-künstlerischen Anteil. Mit ihrem Mann Reinhold restauriert sie in Bleichenbach den Hof der Familie und macht sich mit einer Praxis selbstständig. Sie studiert noch einmal. Dieses Studium schließt sie ab: mit 49 Jahren. Ihr Studiengang: Philosophie.
Fotos:Dirk Ostermeier
HAAMED GEHIRD KAAM, SIJS MI IJNWENNICH
(Heimat gehört niemand, es ist mehr innwendig)
Ronka Nickel hat eine Schwester. Sie sind eineiige Zwillinge und doch unterschiedlich. „Während meine Schwester gerne rot mochte, wollte ich immer lieber blau - war voll der Junge." Nach dem Abitur geht sie in einen Kibbuz nach Israel. Sie beginnt ein Psychologiestudium, das sie aber „entsetzlich langweilt". Nach dem Vordiplom hospitiert sie am Staatstheater Darmstadt, entscheidet sich für ein Regiestudium in Ulm. Sie wird Pegieassistentin am Schauspiel Frankfurt, inszeniert Stücke am Stadttheater Kiel. Und stellt fest: Festgefahrene Strukturen in festen Häusern sind nichts für sie. Sie will frei inszenieren, am
liebsten Stücke von George Tabori. Ende der 1990er-Jahre führt die Liebe sie nach Ortenberg zu Hans Schwab. Da hat sie noch die Einstellung „Was soll ich mit ein paar Laien in der Provinz", wie sie unumwunden zugibt. Eine Einstellung, zu der sie heute sagt: „Ich war eine arrogante Kuh". Denn sie erfährt für sich und erlebt in ihren Inszenierungen „eine neue, wahnsinnige Vitalität." Dies vermitteln auch die Arbeiten von Ulrike Obenauer. Sie studiert Kunstpädagogik an der Uni Frankfurt, macht sich als Künstlerin bereits 1993 selbstständig. In einem Männermetier: der Metallbildhauerei. Sieben Jahre später eröffnet sie ihr freies Atelier in Bleichenbach. Im ehemaligen Paiffeisenlager entstehen Kunstwerke für den öffentlichen Raum wie auch für private Sammler. Im Jahr 2013 etwa die „Muckschder Zwiwwen" am Kreisel in Nieder-Mockstadt oder ihr „Zusammenstehen", eine Arbeit am Friedhof ihres Heimatorts, sowie der ,,Schriftzug" für den Literaturwettbewerb des Energieversorgers OVAG. Auch bei der Veranstaltungsreihe „Kunst in Kirchen" ist Ulrike Obenauer vertreten, mehrfach auch in Ausstellungen des Kreishauses in Friedberg. Eine Erkrankung an der Schulter zwingt sie vorübergehend zu einer Pause an „schwerem Gerät". Sie entdeckt das Zeichnen wieder, filigranere Arbeiten, auch im Umgang mit Metall, als neue Ausdrucksformen. Und ist auch damit erfolgreich. Nach 20 Jahren als freiberufliche Künstlerin ihre wichtigste Erfahrung: „Sich selbst treu zu bleiben".
In und mit OBMENI haben die so unterschiedlichen Persönlichkeiten eine (weitere) Heimat gefunden. „Die Energie zwischen uns war von Anfang an hoch", sagt Ponka Nickel. ,,Früher, jetzt, bald, später" steht auf dem Titel des „Magazins für alle". Mit dem Bewusstsein um die Vergangenheit, die Wahrnehmung der Gegenwart und die Hoffnung für die Zukunft gehen OBMENI auch ihre weiteren Projekte an. (Corinna Willführ)
mehr unter: www.heimatstationen.de